Etwas mehr Fingerspitzengefühl, bitte.

Als ich zum ersten Mal in Lissabon war, gehörte es zu den schwierigsten Aufgaben, ein störungsfreies Telefongespräch mit den lieben Zuhausegebliebenen zu führen. Entsprechend selten habe ich es versucht. Stattdessen habe ich – allein in der Fremde - die schönsten Ecken der Stadt erobert, einige freundliche, hilfsbereite Menschen kennengelernt, ganz zufällig kleine Restaurants gefunden, die vor mir bestimmt noch kein Tourist besucht hatte. Und: ich habe sogar ein paar Brocken Portugiesisch gelernt. Unnötig zu erwähnen, dass dieser Besuch deutlich vor der digitalen Revolution stattfand.
Zum Vergleich nämlich war ich vor ein paar Wochen erneut in Lissabon. Nach der Landung, noch im Flieger, habe ich eine SMS in die Heimat geschickt und Sekunden später ein Smiley zurückbekommen. Bin dann mit Uber ins Hotel gefahren, leider sprach der Fahrer kein englisch. Mails gecheckt, News gelesen. Nachmittags beim Flanieren schmerzhaft mit einem anderen Touristen zusammengeprallt, weil wir beide nur Augen für die Karte auf unserem Smartphone hatten. Per Tripadvisor ein vielversprechendes Restaurant gefunden, gebucht und besucht. Das Essen war gut, leider war außer den Kellnern war kein Portugiese im Restaurant. Fazit nach 5 Tagen Kurzurlaub: Es fehlte die Würze des Einheimischen, wie ich sie vor Jahrzehnten erlebt hatte. Das war selbstverständlich meine eigene Schuld. Und auf keinen Fall werde ich auf die modernen Zeiten mit ihren süchtig machenden Apps für jede Gelegenheit schimpfen. Im Gegenteil: es ist fantastisch, was man heute in einer völlig fremden Stadt mit ein paar Gesten und Klicks alles erreichen kann.
Note to myself: im nächsten Urlaub nicht mehr von Apps abhängig machen. Sie stattdessen sparsam als Unterstützung nutzen. Und sich ansonsten auf Intuition, Neugier, Entdeckergeist und Fingerspitzengefühl verlassen.
Foto: Dagmar Dobrofsky