Drag und drop.
Am Wochenende war die nächste Evolutionsstufe der Menschheit das Trendthema in den sozialen Medien. Reese Witherspoon, Oscar-Gewinnerin, und Oprah Winfrey, multitalentierte TV-Moderatorin, wurden in einem Foto der Vanity Fair jeweils mit drei anstelle von zwei Gliedmaßen abgebildet. Reese Witherspoon zeigte drei ansehnliche Beine. Oprah Winfrey fiel mit drei Händen auf und erinnerte so an die indische Göttin Kali.
Da die Evolution, effizienzverschrieben wie ein deutscher Manager, normalerweise nur die verbesserte Anpassung an die Lebensumstände im Sinn hat, bleibt die Frage, was drei Beine oder drei Hände für einen Vorteil in dieser Welt darstellen könnten. Ein kurzes Innehalten und Nachdenken führt schnell weg von der Evolution der Natur hin zur rasenden Weiterentwicklung der Fotobearbeitungssoftware. Speziell Drag und Drop, Retuschieren, Wischen, Kontern und Filtern sind hilfreiche Funktionen beim Bearbeiten von Fotos, die ansonsten eine geradezu unerträgliche Natürlichkeit ausstrahlen würden. Erneut ist es eine Errungenschaft des digitalen Fortschritts, die aus ganz normalen Fotos Hochglanzprodukte von geradezu überirdischer Schönheit macht. Leider hat die menschliche Evolution nicht immer Schritt halten können mit der digitalen Revolution. Und so ist leicht vorstellbar, dass der zuständige Foto-Retuscheur beim lässigen Draggen und Droppen schon mal den einen oder anderen Körperteil über dem Foto verliert, sodann plötzlich von seinem Reptiliengehirn an den Kühlschrank gerufen wird und anschließend mit vollem Magen und leerem Blick sein bildnerisches Werk ohne weiteren Umstand vollendet. Oder eben auch nicht vollendet.
Mit der Digitalisierung ist Perfektion in vielen Bereichen des Lebens so einfach geworden wie nie vorher in der Geschichte der Menschheit. Genauso einfach allerdings ist nun auch die absurdeste Form der Unperfektion.

Foto: Dagmar Dobrofsky