Hirnforschung.
Anfang dieser Woche hatte ich etwas mehr Zeit zur Verfügung als, sagen wir, Anfang letzter Woche. Das ist meist der Moment, in dem ich mich meiner Lieblingsbeschäftigung widme: der Hirnforschung. Damit keine Missverständnisse entstehen: ich bin kein wissenschaftlicher Experte im Graubereich. Sondern gehöre zu den Hirnforschern, die im Netz stöbern bis sie Nachrichten, Meldungen, Hinweise, Artikel, Geschichten, Fotos oder was auch immer finden, die auf einen verblüffenden oder sogar unterhaltsamen Mangel an Hirn schließen lassen. Meist schnell am Fehlen von Sinn, Logik, Humor, Esprit und Herzensbildung (sic!) zu erkennen.

Das Fehlen von Hirn hat seine Anziehungskraft gelegentlich aber auch durch eine tiefe Leere, die völlige Abwesenheit von allem. Ein solches Ereignis war in Tama, in der Nähe von Tokio zu verzeichnen. Dort kandidierte eine etwas glatte und bemerkenswert ausdruckslose, aber durchaus wohlgeformte weibliche Gestalt für das Amt des Bürgermeisters. Vorweg: sie wurde nicht gewählt, da insbesondere ältere Japaner kein Vertrauen zu ihr aufbauen konnten. Obwohl ihr Programm gut geschrieben war: präzise, stets logische Entscheidungen, definitiv keine Korruption und Ergebnisse stets in wenigen Sekunden. Ihre Schaltkreise waren geprüft und für einwandfrei erklärt worden. Gelegentlich ein Update und schon schien sie bereit für die Legislaturperiode. Die Kandidatin war ein Roboter, vollgestopft mit künstlicher Intelligenz, aber ohne jeden Stallgeruch. Bento berichtete.
Ganz anders der zweite Erfolg meiner Hirnforschung, Spezialgebiet Geisteswissenschaft. Diesmal wurde ich in Bonn fündig. Dort residiert das Bundesamt für Justiz und hat zum Jahresbeginn den Kampf (nun ja) gegen rechtswidrige Posts in sozialen Netzwerken aufgenommen. So zumindest berichtet Spiegel Online. Wer sich gegen vermeintliche Unrechts-Posts, die trotz Aufforderung nicht gelöscht worden sind, mit Behördenhilfe zur Wehr setzen möchte, wendet sich an dieses Amt. Bis hierhin eine unauffällige, ins Interessante transzendierende Information. Ein Fall für die Hirnforschung aber wird daraus, wenn man etwas mehr über die Arbeit des Amtes erfährt. Zunächst: dem Amt steht kein elektronischer Ordner zur Verfügung. Folglich müssen alle Beschwerden, die per Onlineformular eintrudeln auf ein hängeregistertaugliches DIN-A-4-Format gebracht und ausgedruckt werden. Sodann übernimmt einer der 17 Mitarbeiter die Bearbeitung: Strafbare Inhalte werden an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, ansonsten wird alles geordnet, sortiert und archiviert. Mehr dürfen Amt und Amtmann/frau nicht tun. Fälle sammeln in einer mehrstückgefüllten Ablagemappe und warten, was kommt. Forschungsergebnis Ihres Hirnforschers: ein herzliches, lautes, dauerhaftes Lachen.